1. Was bedeutet der Ausdruck „Elterliche Verantwortung“ in der Praxis? Was sind die Rechte und Pflichten des Inhabers elterlicher Verantwortung?
Die elterliche Sorge ist als eine Reihe von Rechten und Pflichten definiert, die dem Wohl des Kindes dienen.
Die Eltern tragen die elterliche Sorge bis zur Volljährigkeit des Kindes bzw. bis dieses für volljährig erklärt wurde.
Eltern haben die Pflicht, für die Sicherheit, Gesundheit und moralischen Werte ihrer Kinder zu sorgen, sie zu erziehen und ihnen eine ihrer Persönlichkeit angepasste Entwicklung zu ermöglichen.
Die Eltern haben außerdem (insbesondere, wenn sie getrennt sind) festzulegen, wo das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Sie müssen ihrem Kind ein Zuhause bieten oder – falls ihnen das nicht möglich ist – ihr Kind bei einem Dritten unterbringen.
Mütter und Väter haben das Recht und die Pflicht zur Aufsicht und müssen sich um ihre Kinder – unter Berücksichtigung von deren täglichen Bedürfnissen – kümmern. Sie können den Umgang von Kindern mit Dritten im Hinblick auf deren Alter beaufsichtigen oder sogar verbieten. Außerdem müssen Eltern das Recht der Kinder auf eine persönliche Beziehung zu ihren Großeltern respektieren.
Eltern sind des Weiteren für die Bildung ihrer Kinder verantwortlich. Dazu gehören Schulbildung und berufliche Bildung, aber auch Sittlichkeit und gesellschaftliches Engagement. Sie entscheiden außerdem – unter Berücksichtigung der Persönlichkeit des Kindes – über dessen Glaubensrichtung. Auch über notwendige medizinische Behandlungen des Kindes entscheiden die Eltern.
Da sie die elterliche Sorge ausüben, sind Mütter und Väter gleichzeitig auch gesetzliche Vertreter ihrer Kinder und vertreten sie in dieser Eigenschaft in allen zivilrechtlichen Angelegenheiten und verwalten ihr Vermögen.
Unabhängig davon, ob sie die elterliche Sorge ausüben oder nicht, hat jeder Elternteil entsprechend seinen Mitteln und den Bedürfnissen des Kindes zum Unterhalt und zur Erziehung der Kinder beitragen.
2. Wer hat generell die elterliche Verantwortung für ein Kind?
Eltern tragen die elterliche Sorge zu gleichen Teilen. Der Begriff „elterliche Gewalt“ wurde in Frankreich im Jahr 1970 abgeschafft.
Die elterliche Sorge zu tragen heißt nicht automatisch, dass man diese auch ausübt. Ein Elternteil kann die elterliche Sorge tragen, ohne diese auszuüben.
In Frankreich üben die Eltern grundsätzlich beide die elterliche Sorge gemeinsam aus, es sei denn, die verspätete Anerkennung der Vaterschaft erfolgt mehr als ein Jahr nach der Geburt des Kindes (in diesem Fall kann die elterliche Sorge nur durch eine gemeinsame Erklärung vor einem Gericht oder durch eine Entscheidung des Familienrichters (juge aux affaires familiales) gemeinsam ausgeübt werden). In diesem Fall übt die Mutter die elterliche Sorge also gegebenenfalls alleine aus; grundsätzlich wird sie jedoch von beiden Elternteilen ausgeübt.
In Deutschland besteht gemeinsame elterliche Sorge,
- wenn das Kind in der Ehe geboren wird,
- wenn die Eltern nach der Geburt des Kindes einander heiraten,
- wenn die Eltern erklären, dass sie die Sorge gemeinsam übernehmen wollen (Sorgeerklärungen),
- soweit ihnen das Familiengericht die elterliche Sorge gemeinsam überträgt.
Die Sorgeerklärungen müssen öffentlich beurkundet werden, was beim Jugendamt oder bei einem Notar und unter bestimmten Bedingungen bei Auslandsvertretungen erfolgen kann. Geben die Eltern keine Sorgeerklärungen ab und sind sie nicht miteinander verheiratet, so hat die Mutter die elterliche Sorge allein. Das Familiengericht kann auf Antrag eines Elternteils jedoch das Sorgerecht beiden Eltern gemeinsam übertragen, sofern dies dem Kindeswohl nicht widerspricht. Dabei wird vermutet, dass die gemeinsame elterliche Sorge dem Kindeswohl nicht widerspricht, wenn der andere Elternteil keine Gründe vorträgt, die der Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge entgegenstehen können und solche auch sonst nicht ersichtlich sind.
Sowohl nach deutschem als auch nach französischem Recht, wird davon ausgegangen, dass der Umgang des Kindes mit beiden Elternteilen in der Regel dem Wohl des Kindes dient und gewährleistet daher ein Recht des Kindes auf Umgang mit den Eltern.
Zugleich ist jeder Elternteil zum Umgang mit dem Kind berechtigt und verpflichtet.
Das Umgangsrecht gibt dem Elternteil in erster Linie die Befugnis, das Kind in regelmäßigen Abständen zu sehen und zu sprechen. Zum Umgang gehört neben den persönlichen Begegnungen aber auch der Brief- und Telefonkontakt.
Was die Verpflichtung zur Gewährung von Unterhalt angeht, obliegt diese Pflicht grundsätzlich beiden Elternteilen. Die Eltern können gegenüber ihren Kindern die Art und Weise der Unterhaltsgewährung selbst bestimmen. Sie können etwa entscheiden, dass der Unterhalt weitgehend im Elternhaus in Natur gewährt wird (Unterkunft, Verpflegung, Kleidung usw.).
Eltern, die die elterliche Sorge gemeinsam ausüben, müssen auch Entscheidungen in wichtigen das Kind betreffenden Angelegenheiten gemeinsam treffen (Umzug, Schulwechsel, chirurgische Eingriffe usw.).
Ein Elternteil, der die elterliche Sorge zwar trägt, diese aber nicht ausübt, muss dennoch über wichtige Entscheidungen informiert werden, die der andere Elternteil getroffen hat, um sein Recht und seine Pflicht der „Aufsicht“ wahrnehmen zu können. Der andere Elternteil muss über wichtige Entscheidungen unter anderem deshalb informiert werden, um bei Ernstfällen gegebenenfalls -in Deutschland- das Jugendamt oder Gericht einschalten zu können (in Frankreich gibt es kein Jugendamt mit vergleichbaren Rechten und Pflichten wie in Deutschland).
Ein Elternteil, der die elterliche Sorge nicht ausübt, ist nach wie vor verpflichtet, zum Unterhalt und zur Bildung des Kindes beizutragen, und hat aus diesem Grund möglicherweise Kindesunterhalt zu zahlen. Das Gericht kann die gemeinsame Ausübung der elterlichen Sorge anordnen oder aber einem Elternteil die alleinige elterliche Sorge zusprechen.
3. Wie wird die Frage elterlicher Verantwortung für die Zukunft geregelt, wenn sich die Eltern scheiden lassen oder trennen?
Die Trennung der Eltern hat keine Auswirkungen auf die Vorschriften über die Übertragung der elterlichen Sorge. Beide Elternteile müssen sowohl weiterhin für die Kinder sorgen als auch gemeinsame Entscheidungen im Interesse der Kinder treffen.
Können sie sich nicht einigen, entscheidet der Familienrichter über die Modalitäten der Ausübung der elterlichen Sorge im Scheidungsverfahren oder im Verfahren über die Ausübung der elterlichen Sorge, wobei er Folgendes berücksichtigt:
1. die bisherige Vorgehensweise der Eltern oder etwaige Vereinbarungen, die diese zuvor getroffen haben;
2. die vor dem Richter zum Ausdruck gebrachten Ansichten des minderjährigen Kindes;
3. die Fähigkeit jedes Elternteils, seine Aufgaben wahrzunehmen und die Rechte des anderen Elternteils zu achten;
4. das Ergebnis etwaiger Sachverständigengutachten, insbesondere unter Berücksichtigung des Alters des Kindes;
5. die Informationen, die im Rahmen von Anfragen oder Gegenuntersuchungen des Jugendamts eingeholt wurden;
6. die Ausübung physischen oder psychischen Drucks oder entsprechender Gewalt seitens eines Elternteils gegenüber dem anderen Elternteil.
7. Welche Angelegenheiten kann der Richter in Bezug auf das Kind entscheiden, wenn die Eltern vor Gericht gehen?
Je nach Beantragung oder Veranlassung kann der Richter im Rahmen des jeweiligen Verfahrens über alle Angelegenheiten der elterlichen Sorge (einschließlich der Herausgabe des Kindes), des Umgangs und des Unterhaltes für das Kind entscheiden. Dabei hat der Richter in jeder Lage des Verfahrens auf eine einvernehmliche Konfliktlösung hinzuwirken. Das Gericht kann auch, wenn sich die Eltern bezüglich einer für das Kind bedeutsamen einzelnen Sorgerechtsangelegenheit uneinig sind, einem Elternteil insoweit die Alleinentscheidungsbefugnis übertragen.
Darüber hinaus kann das Gericht bei einer Gefährdung des Kindeswohls jederzeit von Amts wegen alle Maßnahmen anordnen, die zur Abwendung einer solchen Gefährdung erforderlich sind.